Vertrauen

October 2019
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Jon Kabat-Zinn, der Begründer des Programms „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR = mindfulness-based stress reduction), hat neun Qualitäten als Kernaspekte der Achtsamkeitspraxis herausgestellt. Wenn wir diese Qualitäten üben und sie dadurch in uns kultivieren, dann kann das entscheidend dabei helfen, ein achtsames und waches Leben zu führen, ein Leben im Hier und Jetzt und mit allem, was dazu gehört: Höhen und Tiefen und die Mitte.

Vertrauen

Vertrauen (engl. trust) ist eine dieser Qualitäten. Was bedeutet das? Jon Kabat-Zinn gründet das Gefühl von Vertrauen im Körper (Hier ist ein YouTube-Video über die 9 Qualitäten, auf englisch): Wir können auf den Körper vertrauen und auf seine Weisheit, dass er uns mitteilt, was er braucht. Wenn wir ihm denn mal zuhören… Wir können darauf vertrauen, dass der Atem ein- und wieder ausströmt. Wir können darauf vertrauen, dass unsere Sinne arbeiten, manche mehr und manche weniger. Dieses Vertrauen in den Körper lässt sich kultivieren, indem wir wahrnehmen und anerkennen, was passiert. Ich vertraue darauf, morgens aufzuwachen. Ich vertraue darauf zu sehen, wenn ich die Augen öffne. Ich vertraue darauf, zu atmen, wie auch immer sich das gerade jetzt anfühlt. Und weshalb sollten Herz und Geist anders sein? Mit der Praxis können wir lernen zu vertrauen, dass wir mit dem Leben umgehen können. Und tatsächlich, die Übung führt dazu, immer intimer zu werden mit den inneren Vorgängen und so Muster zu erkennen und Vertrauen zu entwickeln: Ah, wenn das passiert, dann entsteht Stress. Wenn ich das tue, dann entspanne ich mich. Und so weiter.

Wie kann das konkret im Alltag aussehen?

In wenigen Tagen werde ich in den Süden fahren, das 20-jährige Abiturtreffen steht an. Ich freue mich, zunächst auf die Auszeit und Hotel, aber auch auf ein einmaliges Ereignis, das mich aus meiner Komfortzone herauszieht. Ich bin neugierig auf die Menschen, innerlich und äußerlich, ich bin neugierig auf frühere Freunde und alte Feindbilder. Und vor allem bin ich neugierig auf das, was in mir und mit mir passieren wird. Ich sehe es nicht als Test („Wie weit bin ich? Gibt es noch alte, längst verarbeitet geglaubte Wunden?“), sondern einfach als Expedition, deren Ausgang ich nicht planen kann und auch nicht will. Schon jetzt laufen in meinem Kopf Filme ab, wie bestimmte Begegnungen aussehen könnten, und ich sehe mir das belustigt mit an. Wie spannend! Und ja, ich weiß ziemlich genau, wie ich gerne sein möchte an diesem Wochenende: entspannt, fröhlich, fit, interessiert und neugierig, freundlich, nicht nachtragend, erwachsen, selbstbewusst.

Umgang mit dem Leben

Und ich weiß auch ziemlich genau, dass ich nicht 48 Stunden lang so sein werde. Aber das ist in Ordnung. Denn da ist Vertrauen gewachsen in den letzten Jahren. Vertrauen in mich, dass ich gelernt habe, Gefühle zu spüren, sie zuzulassen und sie zu benennen. Alles darf sein, alles ist Teil von mir und meiner Geschichte. Da ist Vertrauen in meinen Körper, dass er mir deutlich macht, wenn er eine Pause braucht oder frische Luft, wenn er gerne einen Tanz hätte oder wenn er eigentlich gar nicht hungrig ist, aber das ansprechende Buffet und meine inneren Beschützer und Ablenker mich zum Essen drängen wollen. Vertrauen in die Kraft der Praxis der Präsenz, der Achtsamkeit und des Mitgefühls, für andere und auch besonders für mich.

Ich bin, was ich entscheide zu werden

Kürzlich las ich folgendes Zitat von Carl Jung: „Ich bin nicht das, was mir passiert ist. Ich bin das, was ich entscheide zu werden.“ Dieser Satz fiel auf sehr fruchtbaren Boden und begleitet mich seitdem jeden Tag. Was auch immer war, ob vor 25 Jahren, vor 10 Wochen oder gestern (und egal mit wem, wie schmerzhaft oder warum) – es bestimmt nicht, was ich bin. Jeden Tag und jeden Moment kann und werde ich neu entscheiden, wie und wer ich sein möchte, um mein eigenes Leben zu leben. Die Frage ist nicht, ob alte Muster, vergessene Geschichten und ein Cocktail von Gefühlen sich zeigen werden am Wochenende. Das werden sie. Aber da ist dieses kultivierte und gewachsene Vertrauen, dass ich mich allem stellen werde und kann. Und dass es dieses unerschütterliche Wissen gibt, dass ich jeden Moment neu anfangen kann, das zu werden, zu was ich mich entscheide. Es wird spannend!

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