Das Leben ist Veränderung

January 2023
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Das Leben ist Veränderung. Das ist mittlerweile fast schon eine Plattitüde: die Jahreszeiten machen uns dieses Naturgesetz immer wieder deutlich, der Körper zeigt uns jeden Tag, dass er mit immer anderen (und natürlich meist altbekannten) Signalen und Symptomen aufwarten kann. „Ach ja, das Alter…“ sagen wir dann mehr oder weniger im Spaß. Freundschaften brechen auseinander oder tragen zarte Blüten, neue Projekte beginnen, entwickeln sich und kommen zu einem Ende, und ja, es gibt auch Verlust und Trauer über etwas oder jemanden, der für immer fort ist. Nichts bleibt für immer.

„Die schlechte Nachricht ist: nichts bleibt für immer. Die gute Nachricht ist: nichts bleibt für immer.“ - J. Cole

Loslassen fällt schwer

Und doch fällt es uns oft so schwer, nicht festzuhalten an dem, was wir haben und was uns gefällt oder an was wir uns ganz einfach gewöhnt haben. Natürlich sind wir immer wieder auch nicht traurig, wenn bestimmte Dinge zu einem Ende kommen. Aber vieles wächst uns ans Herz, und das Loslassen fällt schwer. Das Gewohnte gibt uns zudem Halt und Struktur, es vermittelt ein beruhigendes „So ist es. Das kenne ich, damit kann ich umgehen. Ich weiß ungefähr, worauf ich mich einzustellen habe.“ Unsicherheit ist einer der Haupt-Stressfaktoren für den Menschen. Nicht wissen, was kommt, ist gar nicht so einfach zu (er)tragen. Das, was war, ist bekannt, und auch wenn es vielleicht nicht ideal war, dann ist es immer noch besser als diese Weite der Unwissenheit: Wo geht die Reise hin? Was bedeutet das für mich? Wie wird es sein? Worauf muss und kann ich mich einstellen?

Als Mutter kommt dieses Naturgesetz immer wieder in den Vordergrund, wenn das Kind aus einer Phase herauswächst und in die nächste eintritt. Oft wird erst im Nachhinein klar, dass etwas vorbei ist und bestimmte Themen einfach nicht mehr so wichtig sind als noch vorgestern. Wenn man gerade das Gefühl hat, man wisse jetzt, wie es läuft – dann ist wieder alles anders. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat allen gezeigt, dass tiefgründige Veränderungen auch mal über Nacht kommen können. Auch der 24. Februar 2022 – der Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine – warfen stabil geglaubte Ansichten über Weltordnung und Grundwerte von Moral über den Haufen, und es gibt noch viele weitere Beispiele, im Großen wie im Kleinen.

Was kann Halt geben?

Was kann uns Halt geben, wenn sich alles immer verändert? Die kontemplative Praxis hat als Antwort: nach innen gehen. Den inneren Raum finden und aufsuchen, der immer da ist, ungeachtet des äußeren Chaos. Es ist der Raum, den wir am Ende des Ausatmens kurz schmecken können. Es ist der Raum, den wir in uns und um uns herum spüren, wenn wir uns berühren lassen von einem Sonnenuntergang, einem Blick in den Sternenhimmel oder in die Augen eines Tieres oder eines kleinen Kindes. Man muss nicht spirituell sein oder täglich in meditativer Haltung sitzen, um nach innen zu lauschen. Wir können uns einfach immer wieder darauf einlassen, ganz hier zu sein, bei diesem Schluck Tee, bei jenem Stück Musik, bei diesem Atemzug, bei jener Bewegung des Körpers. Wenn die Zukunft unsicher ist und die Gedanken in die Ferne eilen, ist es das, was uns hält: die Gegenwart. Jetzt gerade hier sein. Jetzt gerade ist es so. Jetzt gerade bin ich hier. Jetzt gerade atme ich. Jetzt gerade nehme ich wahr, was diese Situation mit mir macht, wie diese Veränderung eine Unsicherheit auslöst und mich aus meiner Komfortzone wirft. Wie gehe ich damit um? Und was mag das wiederum in Gang setzen?

Planen, analysieren, vorausberechnen ist menschlich und oftmals auch sehr hilfreich. Jedoch können wir dort hängen bleiben und den Eindruck gewinnen, wir könnten die Zukunft kontrollieren, wenn wir nur gut genug vorbereitet seien. Dabei drehen wir uns eigentlich im Kreis, denn vieles können wir einfach nicht wissen. Es mag manchmal etwas zu einfach oder gar abgehoben klingen, dieses „Im Hier und Jetzt leben“, aber tatsächlich bleibt uns nichts anderes. Wir können nur diesen Augenblick leben, und diesen, und den nächsten. Und ganz besonders, wenn uns die Veränderungen und die unsichere Zukunft in Gedankenkarusselle schicken, ist es hilfreich, die gegenwärtigen Momente ganz besonders wahrzunehmen, denn hier haben wir es zumindest ein kleines bisschen in der Hand, was wir tun. Und das wiederum beeinflusst, was als nächstes kommt.

Sich erinnern: ich kann mit Veränderung umgehen

Wir können uns auch bewusst an Ereignisse oder Phasen unseres Lebens erinnern, in denen wir mit einer deutlichen Veränderung konfrontiert waren – Umzug, Wechsel, Verlust oder Erhalt eines Arbeitsplatzes, Trennung, Geburt eines Kindes, Krankheit, etc. – und uns an diese angepasst und uns eingefunden haben, das Leben weitergelebt haben und die Veränderung als Realität akzeptiert haben. Ja, es gab Herausforderungen, schwierige Emotionen, Überforderung oder Verunsicherung, alles das ist Teil des Lebens. Niemand sagt, dass Leben einfach ist. Aber wir sind noch hier, wir sind daran gewachsen, und wir haben den nächsten Schritt gemacht, und den nächsten. Auch das kann Halt geben: ich kann das. Ich habe gelernt, wie das geht, das Leben leben, das eigentlich nur aus Veränderung besteht.

„Leben kann man nur vorwärts, das Leben verstehen nur rückwärts.“ - Søren Kierkegaard

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