Ob Strand oder Berge oder Campingplatz oder der heimische Garten, der Sommer ist für die meisten Menschen gleichbedeutend mit Urlaub oder Auszeit im weitesten Sinne. Ich erinnere mich an meine Kindheitssommer und an Hotels mit Schwimmbad, den Geruch von Sonnencreme und die gespannte Haut nach einem Sonnenbrand, das Faulenzen nach einem guten Essen, die Besichtigung von Schlössern und Kirchen, stundenlanges Lesen und Musikhören.
Was auch immer wir getan haben, die Sonne ist Teil meiner Erinnerung. Der Sommer war sonnig, mehr oder weniger. Es war die Zeit der Sandalen und Sonnenbrillen, der T-Shirts und Verabredungen zum Eisessen. In diesem Jahr ist – zumindest in meiner Gegend – bisher alles anders, und somit eine wunderbare Gelegenheit, die Windungen des Geistes zu erkennen.
Ich habe im ersten Halbjahr sehr viel gearbeitet und es gab auch sonst in meinem Leben viele große und kleinere Themen, die auf Trab hielten und halten. Die Aussicht auf den langen Sommer, auf Urlaub und Entspannung, hat besonders in den vergangenen intensiven Wochen sehr geholfen, um letzte Reserven zu aktivieren.
Nun ist es laut Kalender und nach meinem Zeitgefühl schon längst Sommer, aber die Realität ist eine andere. Grau, nass, wechselhaft, windig, unvorhersehbar, dann wieder Gewitter … mein Sohn sagte kürzlich: „April, April, ach nein, Sommer!, der Sommer, der macht, was er will.“ Ja, es ist nur das Wetter und es gibt passende Kleidung, und ja, es gibt so viel Schlimmeres auf der Welt – und dennoch merke ich, wie sich mein Geist im inneren Widerstand verheddert. Und wie das wiederum auf meine Stimmung schlägt und wie ich mich dabei ertappe, völlig sinnlos verärgert und frustriert auf das Wetter zu blicken.
Die Vergangenheit – und jetzt
Hier gibt es drei Aspekte, die spannend sind. Zum einen ruft mein Gedächtnis ständig Erinnerungen auf, sicherlich auch verklärte Erinnerungen, an Sommertage im Schwimmbad, an Geburtstagsfeiern in der Natur (ich habe im Juli Geburtstag), an lange Sommerferien mit Eis, Wärme und Sommerkleider, an das allmorgendliche Eincremen mit Sonnencreme, denn „die Haut vergisst nicht!“, an Fotos aus den Bergen vor blauem Himmel und an Schwimmen im Meer, und all das bleibt haften. Die Schulferien stehen vor der Tür, die Arbeit wird weniger, und zu diesem Bild passen eben nur ein blauer Himmel und milde Luft bis weit in den Abend hinein.
Jetzt – und die Zukunft
Ein anderer Aspekt sind die Gedanken an eine vermeintlich schönere Zukunft. Jetzt ist es mir zu ungemütlich und grau, ich hätte gerne Sonne und Wärme. Denn dann könnte ich mich wirklich endlich mal raussetzen und entspannen anstatt schon wieder hier drinnen und am Schreibtisch zu sitzen. Ich brauche Helligkeit und Wärme, dann geht es mir auch besser. Diese Gedanken mit dem Muster „wenn … dann …“ und das Festhalten an einer vermeintlich besseren Zukunft können sehr hartnäckig sein. Wir füttern damit auch unbewusst die Negativitätstendenz, indem wir uns nur auf das fokussieren, was jetzt gerade nicht da ist. Das Leben könnte so schön sein, wenn doch nur …!
Und: Es ist Sommer!
Ganz unabhängig von dem Festhalten an vergangenen oder zukünftigen Realitäten gibt es noch einen dritten Aspekt: das Konstrukt im Geist. Wie die Alliteration im Titel schon deutlich macht, sind mit dem Wort „Sommer“ ganz bestimmte Ideen und Bilder verbunden, die so tief eingedrungen sind, dass sie wie eine unumstößliche Wahrheit scheinen. Abweichungen davon oder gar bleibende Veränderungen, z.B. durch den Klimawandel, sind damit kaum zu vereinbaren. Dabei ist genau das ein unheimlich wertvoller Prozess: die gedanklichen Konstrukte zu erkennen, die das Leben so sehr limitieren und uns von dem wegbringen, was tatsächlich gerade hier ist.
„Jetzt bin ich hier. Und wie ist es jetzt gerade?“
Diese beiden Sätze ziehen sich wie ein Mantra durch meinen eigenen Weg und bilden die Basis für die Lehre in meinen Kursen. Sich immer wieder der Realität zu öffnen und zu schauen, was jetzt gerade ist. Und gleichzeitig wahrzunehmen, was im Inneren vor sich geht: der Widerstand, die Bewertungen, die emotionale Reaktion auf die Realität. Gleichzeitig kann ich immer wieder selbst feststellen, wie stark die Gedanken und Erwartungen sind. Das Wort „Sommer“ erweckt so viele Bilder, Erwartungen und Hoffnungen, die in diesem Sommer eben gerade nicht erfüllt werden.
Die Frage, die sich stellt, ist: Kann ich damit sein? Kann ich mich immer wieder lösen von dem, was in meinem Geist vor sich geht, und mich auf das einlassen, was jetzt gerade da ist? Jetzt gerade, die Realität, die nichts anderes ist als das Leben – das einzige Leben, dass ich zur Verfügung habe. Jetzt ist der einzige Moment, den wir zur Verfügung haben. Wir sollten ihn leben, wirklich leben und erleben, so wie er jetzt gerade ist. Sonst verpassen wir das Leben, während wir darauf warten, dass er kommt, der „Sommer“ oder „das Leben“ – oder eben das, was wir damit verbinden.