Wieder einmal ist das Leben sehr dicht. Auch wenn die Weihnachtszeit für viele eine schöne Zeit ist, so sammeln sich doch regelmäßig in den letzten Wochen vor der Feiertagspause die Termine: Geschenke besorgen und einpacken, Weihnachtsfeiern und „end-of-year“-Treffen, für die Kinder stehen die letzten Schultests an, dann Elterngespräche in der Schule, das Essen an den Feiertagen organisieren und endlich einmal wieder Karten schreiben. Und nebenher hat man das Gefühl, die Welt spielt gerade verrückt angesichts der vielen herausfordernden Nachrichten.
Wenn dann auch noch der Körper nicht so funktioniert wie gewünscht, dann kann alles schnell zu viel werden. Irgendwie wissen wir ja, dass wir etwas zu viel gearbeitet haben und etwas zu wenig Ruhe hatten, aber es musste halt noch so viel getan werden, oder? Und dann wird es ruhiger – und der Körper sagt „Schluss jetzt!“ Heute Vormittag war selbst das Essen des Frühstücks zu anstrengend und ich schleppte mich ins Bett. Nach einpaar Stunden Schlaf ging es mir leidlich besser, im Laufe des Tages ging es schrittweise aufwärts.
Die schwierigen Gedanken…
Was mich immer wieder überrascht, ist die Tatsache, dass trotz jahrelanger Praxis die Gedanken mich immer wieder in den Bann ziehen. Sorgenvolle Gedanken, ein ständiges „was ist, wenn … (es nicht besser wird, ich auch morgen noch so durchhänge, etc.)“, ein Hadern mit der Realität und mit dem, was ist. Erst vorgestern habe ich in einem Kurs über den „Umgang mit schwierigen Gedanken“ gesprochen und merke doch immer wieder selbst, wie unheimlich schwierig es ist. Im Moment der Schwierigkeit ist es zumindest mir kaum möglich, die Gedanken als Gedanken zu erkennen. Oder doch, ich erkenne die Gedanken und auch, dass sie nicht hilfreich sind, aber ich kann mich nicht dagegen wehren, dass sie die Stimmung und das allgemeine Wohlbefinden enorm beeinflussen. Und dieses ständige innere Jammern: „Ich hätte einfach gerne, dass das Leben einfacher ist!“
… und die Akzeptanz
Was aber auch immer wieder da ist, und das ist ganz sicher ein Ergebnis der jahrelangen Praxis, das ist die Akzeptanz. So ist es jetzt. Ich wünsche es mir gerade ganz anders, aber so ist es jetzt. Wenn gerade nichts geht außer schlafen und liegen, dann gehe ich schlafen und liegen. Und ich bemerke und akzeptiere mein emotionales Unbehagen dabei, weil ich mich gerade vollkommen nutzlos fühle und nicht am Familienleben teilnehmen kann. Wenn ich merke, dass es gerade zu viel ist, dann stelle ich fest: „Gerade ist alles zu viel.“ Wenn ich mal wieder nicht einschlafen kann, dann ist das schwierig, aber ich akzeptiere: so ist es gerade. Mich aufzuregen würde rein gar nichts bringen. Dann drehe ich mich eben noch einmal auf die andere Seite und atme einfach weiter. Ein Atemzug nach dem anderen. Das Mantra, welches ich überallhin mit mir trage und welches ich mit einem einfachen Armband verbinde (das ich immer trage), ist: „Yes, this too.“ Ja, auch diese Erfahrung gehört zu meinem Leben. Und immer wieder erweitere ich diesen Satz zu: „Yes, this too shall pass.“ Ja, auch diese Erfahrung wird wieder vorbeigehen.
Mal das eine, mal das andere
Es ist mitnichten so, dass die Akzeptanz sich durch mein Leben zieht. Je nach Situation oder eigenem gegenwärtigen Zustand ist sie präsent oder nicht. Wenn ich emotional gefordert werde (zum Beispiel in meiner Rolle als Mutter), dann überwiegen oft die schwierigen Gedanken und ich stecke immer wieder fest im primitiven Dinosauriermodus, wo es nur Kampf oder Flucht oder Erstarrung gibt. Dann ertappe ich mich immer wieder dabei, dass meine Gedanken in mir rasen: „Es muss doch irgendwann mal weniger anstrengend werden!“ In anderen Bereichen ist es einfacher und ich kann bemerken, wie ich leide – dann übe ich Akzeptanz und Selbstmitgefühl (oft mit Hilfe der wunderbaren RAIN-Übung) und es wird einfacher, mit dem Leben umzugehen. Zumindest für diesen Moment.
Dann ist sie da, die Ruhe inmitten des Chaos‘, das Ausatmen und bewusste Loslassen der Anspannung. „Yes, this too … shall pass.“ Mehr bleibt uns oft nicht übrig, um mit dem, was ist, klarzukommen und bessere Entscheidungen zu treffen: „Was ist jetzt zu tun, um mir zu helfen und der aktuellen Situation gerecht zu werden?“
Geh deinen eigenen Weg
Das sind meine Erfahrungen in meinem gegenwärtigen Leben. Erwarte nicht, dass die Praxis der Achtsamkeit bewirkt, dass das Leben einfacher wird. Jede*r findet seinen eigenen Weg und jede*r legt andere Schwerpunkte und bringt auch andere Grundlagen mit. Und erwarte auf keinen Fall, dass es „schneller“ gehen müsse oder „umfassender“ oder die Entwicklung auf sonst eine Art wahrnehmbar sein müsse. Probiere aus, lerne, "scheitere", fang wieder neu an und bleib einfach dran. Dann wirst du merken, wie sich dein Leben entfaltet. Vielleicht kannst du besser mit den schwierigen Gedanken arbeiten als ich. Vielleicht ist auch bei dir Akzeptanz die erste Veränderung, die spürbar wird. Oder es ist etwas ganz anderes. Es ist dein Leben und nicht vergleichbar mit dem, was bei mir ist oder bei einem anderen. Erkenne die Gedanken, die immer wieder in den Vergleich oder in die Bewertung gehen. Das lässt sich nicht abstellen, es lässt sich nur erkennen. Aber schon das bewirkt, dass der nächste Moment anders wahrgenommen wird und sich anders auswirkt auf alles, was danach kommt.
Geduld und Vertrauen, essenzielle Qualitäten auf dem Weg des Lebens, denn:
„Wenn wir etwas regelmäßig gießen, dann können wir gar nicht verhindern, dass etwas daraus wächst.“ Lienhard Valentin
P.S. Hier ist die erwähnte RAIN-Meditation als Audio oder zum Download.