Es gibt Gedichte, bei deren Lesen etwas tief drinnen berührt wird. Es gibt Musikstücke, die etwas aufbrechen lassen und mitnehmen auf eine Reise. Es gibt Erfahrungen, die einen starken Widerhall hervorrufen. – Resonanz, ein Mitschwingen, ein Mittönen.
Resonanzkörper
Wer mit Musikinstrumenten zu tun hat, der kennt ihn, den Resonanzkörper, der einen Ton schwingen und ertönen lässt. Ohne Resonanzkörper passiert nicht viel. Dieser Raum ist notwendig, um in eine Verbindung zu gehen, ein Miteinander. „Ein Resonanzfeld nimmt eine Schwingung oder einen Impuls in sich auf, verstärkt ihn und macht ihn dadurch erfahrbar.“ schreibt Richard Stiegler (in: Nach innen lauschen, Arbor Verlag 2014). Was sich daraus ableitet, ist folgendes: es kann nur etwas mitschwingen, was schon da ist. Das ist so logisch, und wird doch ganz schnell vergessen. Es geht hier um Empfänglichkeit, um diesen inneren Raum der Offenheit und der Akzeptanz, der die Erfahrung überhaupt erst greifbar und für sich selbst relevant macht.
Worte sind einfach Worte, Laute sind einfach Laute. Ob sie etwas innerlich bewegen, hängt von dem ab, was schon in uns vorhanden ist. Resonanz entsteht nur in der Verbindung, und allzu leicht vergessen wir, dass die gehörten Worte oder die dadurch erfolgten Einsichten nicht das Produkt oder das Verdienst der Person sind, die sie aussendet. Es kommt leicht zu einer Art Bewunderung, Auf-ein-Podest-Stellen, eine Fixierung auf diese Person. Wenngleich es normal ist, dass bestimmte Personen oder Wege uns deutlich stärker ansprechen und tiefer berühren und wir daher immer wieder in Kontakt treten möchten, so sollten wir uns nicht zu sehr darauf konzentrieren.Wohl jeder kennt diese Phasen aus der Vergangenheit oder auch Gegenwart, in welcher wir uns dermaßen berühren lassen, dass wir den Fokus komplett auf die andere Person richten und uns selbst dabei vollkommen vergessen. In meiner Jugend haben mich Liedzeilen, Stimmen und bestimmte Filmszenen sehr berührt. Ich liebte diese Gefühle und emotionalen Fahrten, durch die ich mitgehen – mitschwingen – konnte. Ich erlebte es hautnah. Auch die schwierige Erfahrung kann hier als Beispiel dienen: Horrorfilme kann ich bis heute nicht ertragen und es wird immer schwieriger, spannungsreiche Szenen zu sehen, die oft von unheilvoller Musik untermalt werden. All das ist nur möglich, weil es etwas in uns anspricht, was schon da ist: die Angst, das Gefühl der Ohnmacht, der Horror.
Selbstverständlich reagiert jeder anders, denn jeder Resonanzkörper ist einzigartig, und jede und jeder bringt einen ganz eigenen Raum mit, dessen Inhalt sich ohnehin ständig verändert. Etwas, was uns früher kalt ließ, lässt uns plötzlich erschauern. Und anderes verliert seine Intensität. Je mehr wir uns aber öffnen, desto sensibler und feinfühliger werden wir. Wohlgemerkt, „sensibel“ ist hier vollkommen ohne Wertung zu verstehen. Wir werden mit der Zeit und der Übung aufmerksamer, feiner, interessierter und dadurch automatisch offener. Andere hingegen werden kaum berührt, lassen sich seltener ein und schwingen wenig mit. Und vielleicht würden wir auch manchmal gerne etwas weniger feinfühlig sein und weniger berührbar, auch diese Phasen der Überforderung gibt es.
Die „Aha!“-Momente
In meinen Kursen mache ich immer wieder die Erfahrung, dass ein „Aha“-Moment entsteht, ein „Jetzt verstehe ich etwas!“oder „Ja, genau so ist das bei mir!“. Ich lese es in den Augen, in der Körpersprache, in der hellen Wachheit der Teilnehmer*innen. Und ja, das fühlt sich sehr gut an. Aber nicht als Bestätigung, wie „gut“ ich wohl meine Arbeit mache. Es fühlt sich so gut an, weil eine Verbindung entsteht, weil dieser Samen, den ich ausgebe, auf fruchtbaren Boden fällt und nur wachsen kann, weil beides genau zusammenpasst, Boden und Samen, und am Allerwichtigsten: der lebenswichtige Dünger des gepflanzten Samens – die Neugierde und der Forschergeist. Das ist wie in einem animierten Film, wenn zwei Dinge, die zusammengehören, sich treffen und miteinander eine Reise beginnen und wie im Zeitraffer eine wunderschöne Pflanze wächst. Wie von Magie erfüllt, gibt es eine direkte Verbindung und sprudelnde Lebendigkeit. Der Samen ist aber nur Samen, nutzlos und wertlos, wenn er nicht eingebettet wird. Dass er wachsen darf, dass Resonanz entsteht bei einem Zitat, das ich benutze, oder bei einer visuellen Darstellung, ist nur möglich, weil schon etwas da ist.
Vertrauen und Neugierde
Meine Einladung ist es daher, wann immer Resonanz entsteht, ein Mitschwingen und ein Mittönen, ein inneres „Ja“ oder ein Berührt-Sein: lass das Nährstoff sein für Vertrauen. Vertrauen in Dich. Vertrauen in Dein Inneres. Vertrauen in Deine innere Weisheit und Empfänglichkeit. Und noch eine Einladung: sei neugierig. Was in mir schwingt mit? Warum berührt mich das so? Wo möchte ich mehr wissen? Wie kann das, was ich hier gehört und gesehen habe, auf mein Leben einwirken?
Oft werde ich nach dem Ende eines Kurses nach der Präsentation gefragt, die ich benutze, denn dort habe ich meist die verwendeten Zitate und Grafiken eingearbeitet. Manches wird ausgedruckt und irgendwo sichtbar zu Hause platziert. Wie schön! Das sollte aber nicht geschehen, um sich an den Kurs zu erinnern, sondern einzig und allein, um an sich selbst erinnert zu werden. Erinnert an das eigene Innere, das jedes Mal mitschwingt, wenn der Blick darauf fällt.
Hab Vertrauen, es ist schon alles in Dir. Wir alle aber brauchen immer wieder eine Inspiration, eine Erinnerung daran, was es bedeutet, Mensch zu sein. Lassen wir uns berühren, verbinden, auf eine Forschungsreise schicken, erinnern, mitschwingen.