Kürzlich stieß ich auf diese drei Worte, die ein Essayband der amerikanischen Schriftstellerin Anne Lamott betiteln. Sie nennt sie die „drei essentiellen Gebete“. Hilfe. Danke. Wow. So einfach, so tiefgehend, so bereichernd.
Hilfe
Im Alltag kann es leicht geschehen, dass wir uns hauptsächlich als Individuen betrachten, die mehr oder weniger ihr eigenes Ding machen. Wir haben einen Körper, der uns begrenzt und definiert. Wir haben eine bestimmte Arbeit, eine Familie, einen Umkreis von Bekanntschaften und wir haben Pflichten. Besonders zu Beginn der Pandemie jedoch wurde deutlich, wie sehr wir voneinander abhängig sind, damit der Alltag funktioniert: Verwaltungen, Krankendienste, Lebensmittelversorgung, etc. Und es wurde deutlich, wie selbstverständlich wir immer darauf vertrauen, dass die Versorgungskette funktioniert. Das Leben hat sich verändert, und das zehrt an Nerven, Kräften und Reserven. Ob mit oder ohne Kinder, Arbeit oder körperliche Beschwerden – keiner kann ohne andere Menschen überleben. Wir brauchen einander, jetzt mehr denn je.
Ich brauche Hilfe. Diesen Satz in den Sprachgebrauch zu übernehmen ist so wichtig, ehrlich und, ja, mutig. Welche Formen kann eine solche Hilfe annehmen? Tatkräftige Hilfe bei der Hausarbeit. Arbeitsteilung beim Einkauf. Ein offenes Ohr bei Traurigkeit und Einsamkeit. Zeit bekommen für eine halbe Stunde Spaziergang ganz alleine. Erwartungen und Routinen hinterfragen: muss das alles wirklich jetzt sein? Verständnis entgegenbringen. Und ganz besonders: einfach da sein, als Mensch. Ein Geben und Nehmen, jeder nach seinen Kräften. Tief im Inneren atmen wir alle die gleiche Luft, möchten wir alle gesehen und gehört werden, wollen wir alle einfach nur gesund und glücklich sein. Dafür brauche ich deine Hilfe, genau wie du die meine.
Danke
Dankbarkeit ist eine der wirkungsvollsten Übungen, um das Wohlbefinden zu verbessern, sogar ohne das Leben selbst zu verändern. So vieles erscheint uns selbstverständlich: morgens die Augen öffnen, das Licht anschalten oder das E-Mail-Programm öffnen. Dabei grenzt es an ein Wunder, dass unser komplexer Körper funktioniert, dass das Herz ohne Unterlass schlägt und dass unser Gehirn diese Zeilen verarbeiten kann. Und ganz zu schweigen von Elektrizität, Funkwellen und dem Lebenskreislauf der Natur. Wenn wir uns jeden Abend bewusst an das erinnern, was heute gut, angenehm oder sogar schön war, stärken wir unseren Geist zunehmend in Richtung positiver Ausrichtung. Das Schwierige wird nicht verschwinden, aber es wird nicht mehr so schwer wiegen. „Worauf wir uns fokussieren, das wird stärker.“, lehrt uns die Neuroplastizität.
Es gibt jeden Moment unzählige Dinge, für die man dankbar sein kann. Ein Dankbarkeitstagebuch kann ein wunderbarer Gefährte sein, um Augen und Herz für den Reichtum zu öffnen, der jetzt schon da ist. Der Trick hierbei ist, es nicht zur Routine werden zu lassen und beispielsweise nicht jeden Tag „Waschmaschine, Essen, Dach über den Kopf“ zu wählen. Sinnvoller ist es, sich jedes Mal neu auszurichten hinsichtlich verschiedener Bereiche, wie z.B. „Begegnungen“, „Natur“, „ich und mein Körper“ und „alltägliche Hilfsmittel“. Mein Dankbarkeitseintrag für heute: die liebevolle Begrüßung durch meine Kinder nach der Schule, ein Regenbogen hinter dem Haus und ein scheues Eichhörnchen im Wald, meine Finger und ihre Fähigkeit, eine Tastatur zu bedienen, und der praktische Handstaubsauger für die Krümel unter dem Esstisch.
Wow
Der Anfängergeist ist eine der wichtigsten Qualitäten der Achtsamkeitspraxis. Es bedeutet, jeden Augenblick als das wahrzunehmen, was er tatsächlich ist: einzigartig und neu. So viele große und kleine Wunder entgehen unseren gestressten Gehirnen und abwesenden Augen. Dabei gibt es immer wieder Momente, die zum Innehalten einladen und uns tief nähren können – wenn wir es zulassen.
Ein Schmetterling auf einer Blüte, ein Sonnenaufgang, das herzöffnende Glucksen eines Babys, der weite Sternenhimmel, die Majestät des Gebirges, der unschuldige Blick eines Hundes, das endlose Wogen des Meeres, der Anblick einer atemberaubenden Architektur, ein Tulpenmeer, ein Herz und Körper bewegendes Musikstück, leuchtende Farben auf einem Gemälde, filigranes Handwerk, das Funkeln einfacher Steine in der Sonne, kreative Ideen und überwältigende Kunststücke mit vollem Körpereinsatz. Innehalten, wahrnehmen, anerkennen und sich berühren lassen – wenn wir Menschen wieder mehr echte „wow“-Momente in unser Leben lassen würden, dann müssten wir nicht so viel Zeit, Geld und Mühe investieren, um uns vom beschwerlichen Alltag abzulenken. Sich berühren und verzaubern lassen setzt voraus, dass wir da sind. Es lohnt sich.
Hilfe. Danke. Wow.
Einfach, nährend, menschlich.
Wie kannst du mehr davon in dein Leben lassen?