Der Winter ist fast vorbei, die ersten Knospen haben sich in den warmen Februartagen einen Weg nach draußen gesucht. Das Ende der kalten Jahreszeit ist auch immer eine Einladung: eine Einladung, das neue Leben zu bemerken, das Wachstum der Pflanzen und Blüten zu beobachten, die wechselnde Grüntöne des Grases zu betrachten, die morgendliche Helligkeit zu begrüßen. Es ist nicht so, dass der Winter ungewollt oder weniger wertvoll ist. Der Frühling macht es einem aber einfacher, wieder zum Leben zu erwachen.
„Schau dir einen Baum, eine Blume, eine Pflanze an. Lass dein Gewahrsein darauf ruhen. Wie still sie sind, wie tief sie im Sein wurzeln. Lass zu, dass die Natur dich die Stille lehrt.“ - Eckhart Tolle
Was die Natur uns lehrt
Im Beobachten und Wahrnehmen der Natur lässt sich so vieles lernen.
Die Beständigkeit des Wechsels: Das Wetter ändert sich, die Blumen wachsen, die Bäume sprießen. Auch das menschliche Leben ist ständig im Wandel, und unsere Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle haben als einzige Konstante ihre Unbeständigkeit. Das Wissen, dass nichts von Dauer ist und dass alles irgendwann einmal vorbeit ist, kann auch schwierig sein oder Stress hervorrufen. Doch die Natur zeigt uns die Schönheit der Veränderung und kann somit die Akzeptanz begünstigen: Leben bedeutet Wandel. Kein Augenblick ist wie der andere, kein Gefühl dauert ewig, und auch Gedanken kommen und gehen (wenn wir sie lassen) wie die Wolken am Himmel.
Geduld: Man kann Karotten nicht schneller wachsen lassen, indem man an ihnen zieht, sagte einmal der Meditationslehrer Jack Kornfield. Die Natur folgt ihren eigenen Gesetzen von Wachstum und Vergehen, und wir können nur zusehen und geduldig warten. So sehr wir uns auch wünschten, es wäre endlich Sommer, Urlaub, die große Feier, der Abschluss …, wir können die Zeit nicht beeinflussen. Der Moment ist einfach nur der Moment, und unser Geist kann die schönsten Kapriolen schlagen und sich in Wunschdenken verlieren, es wird trotzdem nicht schneller gehen. Um diese innere Unruhe zu überdecken versuchen wir, uns abzulenken, uns zu beschäftigen. Dabei ist die Übung der Geduld eine sehr hilfreiche und zutiefst beruhigende.
Der Dichter Ralph Waldo Emerson sagt: „Nimm die Geschwindigkeit der Natur an: Ihr Geheimnis ist die Geduld.“
Vertrauen: Eng mit der Geduld verbunden ist ein Gefühl von Vertrauen in die Natur der Dinge. Wenn wir Geduld üben, stärken wir unser Vertrauen in uns und unsere Umgebung. Irgendwann werden wieder Blätter an den Bäumen sein. Irgendwann wird es wärmer werden. Irgendwann wird der Urlaub da sein. Mit dieser Erkenntnis, gewachsen aus Erfahrung, Wissen und tiefer Einsicht über den Lauf des Lebens und die Garantie des Wandels, kann das Leben sehr viel ruhiger und zufriedenstellender werden. Daraus entsteht auch ein Vertrauen darin, dass wir diese Zeit des Übergangs und des Wartens mit Geduld und mit wacher Neugier leben können – ohne auf ein Ziel zu warten. Jetzt ist gut genug.
Freude am Leben: Es kann sehr bereichernd und erfüllend sein, der Natur beim Aufblühen zuzusehen. Ein Waldspaziergang, ein bewusster Blick in die Baumwipfel, besondere Sorgfalt für die Zimmerpflanze, ein Erwachen für das Gezwitscher der Vögel – es gibt so viel zu entdecken, wenn wir unsere Sinne öffnen. Immer wieder die Augen öffnen, den Blick weiten (und von den viereckigen technischen Geräten vor unserer Nase lösen), die Stille der Natur auf uns wirken lassen. Viele Studien belegen die beruhigende Wirkung der Natur auf den Gemütszustand des Menschen.
Ich freue mich auf einen neuen Frühling und darauf, diesen Prozess mit wachen Sinnen und Herzen zu begleiten.